Veranstaltung: | Landesparteitag |
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Tagesordnungspunkt: | 1. Anträge |
Antragsteller*in: | Sina Clorius (LAG Natur/ Umwelt/ Ökologie) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 01.04.2021, 10:06 |
N 1: Biologische Vielfalt in Schleswig-Holstein erhalten
Antragstext
Fast die Hälfte der Tier- und Pflanzenarten Schleswig-Holsteins sind im Bestand
stark zurückgegangen und gelten als gefährdet. Besonders betroffen sind z.B.
Insekten und Vogelarten der Agrarlandschaft wie Rebhuhn, Kiebitz und Feldlerche.
Knapp 1.000 Arten gelten inzwischen sogar als ausgestorben oder verschollen.
Grund dafür sind eine immer weiter intensivierte Nutzung der Land- und
Meeresflächen, die z.B. zu einem Rückgang von artenreichem Grünland und
vielfältigen Strukturen wie Knicks führten, sowie eine großflächige Überdüngung.
Der aktuelle Entwurf der Strategie zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in
Schleswig-Holstein will diesen Trend stoppen. Die Landesarbeitsgemeinschaft
Natur und Umweltschutz und der Landesverband von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Schleswig-Holstein begrüßen und unterstützen diesen Entwurf und fordern, einige
Eckpunkte der schleswig-holsteinischen Biodiversitätsstrategie noch klarer zu
formulieren und diese Strategie konsequent und schnellstmöglich umzusetzen. Die
hierfür zuständigen Ministerien und Behörden sind dazu mit den entsprechenden
personellen und finanziellen Mitteln auszustatten.
Die folgenden Eckpunkte zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in Schleswig-
Holstein tragen wir uneingeschränkt mit:
Jeweils ein Drittel der Schutzgebietsfläche sollen Nullnutzungsgebiete
sein, in denen (Pflege-) Maßnahmen höchstens stattfinden dürfen, um das
Ökosystem zu erhalten (z. B. Plaggen von Heideflächen, Mahd oder Beweidung
von Wertgrünland). Zwei Prozent des Landes sollen Wildnisgebiete ohne
jeglichen menschlichen Eingriff werden.
Die Wirkung von Pestiziden um 50 Prozent, den Düngemitteleinsatz um 20
Prozent verringern; Beratungsleistungen für Landwirt*innen zur
Verringerung der Pflanzenschutzmittel-Einträge verstärken; Aufklärung und
Überwachung (Ordnungsrecht) intensivieren
Verbot von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln in Naturschutzgebieten
Schutz von Gewässern vor Überdüngung: Stickstoff- und Phosphoreinträge in
allen Gewässern landesweit um ein Drittel verringern (rund 269 Tonnen
jährlich bei Phosphor, knapp 5.000 Tonnen bei Stickstoff); Alle
Kläranlagen werden dazu langfristig mit einer Phosphat-Fällung
ausgestattet
Für die in die Ostsee mündenden Gewässer werden zusätzliche
Extensivierungen und Maßnahmen zur Verbesserung des Nährstoffrückhalts
(z.B. Gewässerrandstreifen, Wiedervernässungen) auf bis zu zwei Prozent
der landwirtschaftlichen Nutzfläche umgesetzt (Beispiel: Modellregion
Schlei)
Zwei Drittel der Fließgewässer werden für Fische und wirbellose Tiere
durchgängig gestaltet
Attraktive Vertragsnaturschutz-Angebote für die Umwandlung von Acker- in
Grünland auf Moorböden
26.000 ha Moorböden im Stiftungsbesitz und 8000 ha Arrondierungsflächen
wiedervernässen
Vertragsnaturschutz-Angebote für Randbereiche sensibler Ökosysteme wie
Gewässer, Moore und Wälder
Einrichtung von nutzungsfreien Naturwäldern einschließlich Altbaumrefugien
in den schleswig-holsteinischen Landesforsten; Vertragsnaturschutz für
Altbaumrefugien in Privatwäldern
Schaffung von Feuchtwäldern durch die Revitalisierung des natürlichen
Landschaftswasserhaushalts
Entwicklung eines waldbezogenen Insektenschutzkonzepts
Fördermaßnahmen für Pufferzonen (Ökotone) zwischen sensiblen Lebensräumen
(Dünen, Wäldern, Gewässern, Mooren) und landwirtschaftlich genutzten
Flächen
Pflegemaßnahmen für Rohbodenhabitate (Plaggen, Entkusseln)
Zehn Prozent der landwirtschaftlich genutzten Flächen, insgesamt rund
100.000 Hektar, sollen bis 2030 extensiv bewirtschaftet werden, vor allem
durch Erhöhung der Vertragsnaturschutz-Flächen
Förderung von Modellbetrieben „Ökosystemleistungen“ und
„Landschaftspflegehöfen“
Verbundstrukturen zwischen Siedlung und Offenland schaffen
Modellprojekt zur biodiversitätskonformen Gemeinde- bzw. Stadtentwicklung
starten
Artenschutzprogramm: Verbesserung des Schutzes von gefährdeten
europäischen Arten und solchen Arten, für die Schleswig-Holstein eine
besondere Verantwortung hat
Einführung eines Insektenschutz- und Insektenmonitoringprogramms
Entwicklung und Fortführung von Programmen und Konzepten zu
konfliktträchtigen Arten wie Wolf, Gänsen, Biber und Kormoran
Personalaufstockungen bei den Umsetzungsorganisationen und -behörden
(untere Naturschutzbehörden, Nationalparkamt, integrierte Stationen)
Ehrenamtliche Strukturen und die Nachwuchsförderung stärken
Einführung eines hauptamtlichen Ranger*innen-Netzwerks
Bildungsinitiative Biodiversität
Barrierefreie Naturerlebnis-Modellprojekte
Bei den folgenden Eckpunkten fordern wir effizientere Maßnahmen:
30 Prozent der Landfläche und der Meeresgebiete sollen auch nach Zielen
der EU unter Schutz gestellt werden. In der Biodiversitätsstrategie ist
von „grün-blauer Infrastruktur“ die Rede. Das reicht uns nicht aus. Wir
fordern die Ausweisung als Schutzgebiete, d.h. als Nationalpark,
Naturschutzgebiet, EU-Vogelschutz- oder FFH-Gebiet.
Ökologische Landwirtschaft: Im Entwurf der Biodiversitätsstrategie wird
ein Ziel von 15 % Ökolandbaufläche bis 2025 genannt (148.000 Hektar), wir
fordern als Ziel eine Erhöhung auf 30 % (300.000 ha) bis 2030
Senkung des täglichen Flächenverbrauchs in SH bis 2030 von derzeit 3,2
Hektar auf unter einen Hektar statt der in der Biodiversitätsstrategie
genannten 1,3 Hektar
Effiziente Überwachung von naturschutzfachlichen Vorgaben (z. B.
Betretungsverbot in Brutgebieten, Düngeverbot in Naturschutzgebieten) und
Ahndung von Verstößen
Begründung
Der bisherige Umgang mit unserer Natur hat nicht nur zum Rückgang oder Aussterben vieler Tier- und Pflanzenarten geführt. Auch der Erholungswert der Landschaft hat durch den Rückgang blütenreicher Wiesen, durch immer größere, gleichförmige Felder und die Zunahme des Maisanbaus gelitten. Großflächig sind die oberen Trinkwasserleiter mit Nitraten und Pestizidrückständen belastet. Die Badewasserqualität vieler Seen leidet durch Algenblüten, und auch in der Eckernförder Bucht kam es durch Nährstoffeinträge und erhöhte Temperaturen in der Vergangenheit zu größeren Fischsterben.
Hierunter leidet nicht nur die Natur, sondern auch die Tourismuswirtschaft des Landes, die auch auf eine intakte Umwelt zu Lande und im Wasser angewiesen ist. Eine intakte, artenreiche Natur erfüllt nicht nur zahlreiche Ökosystemdienstleistungen, indem zum Beispiel der Boden Kohlendioxid und Regenwasser speichert oder indem Insekten Nutzpflanzen bestäuben, sondern sie trägt auch zum Wohlbefinden der Menschen bei. Eine Studie von Wissenschaftlern der Universität Kiel, des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung und der Gesellschaft für Naturforschung Senckenberg aus dem Jahr 2020 wies einen Zusammenhang zwischen der Lebenszufriedenheit der Menschen und der Anzahl an Vogelarten in ihrem direkten Umfeld nach.
Die Artenvielfalt zu schützen lohnt sich also in vielerlei Hinsicht. Eine intakte, vielfältige Natur lässt sich nur durch den Schutz der vielfältigen Ökosysteme in Schleswig-Holstein erhalten: Watt und Meer, Strände, Dünen, Heiden, Bäche, Flüsse und Seen, Moore, Wälder und eine vielfältige Agrar- und Kulturlandschaft mit Äckern, Grünland und Übergangsstrukturen wie Knicks und Säumen sowie Gärten und Obstwiesen.
Das schleswig-holsteinische Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Naturschutz und Digitalisierung hat eine fachlich fundierte Strategie mit ambitionierten Zielen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt in Schleswig-Holstein vorgelegt, die allerdings noch endgültig von der Landesregierung und dem Landtag beschlossen werden muss.
Als Landesarbeitsgemeinschaft Natur und Umweltschutz und Landesverband von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein wollen wir das MELUND und die Unterstützer*innen der Biodiversitätsstrategie darin bestärken, dass die Umsetzung der darin enthaltenen, ambitionierten Ziele der einzige Weg ist, die einzigartige Natur in Schleswig-Holstein zu bewahren.
Unterstützer*innen
- Christof Martin (LAG Natur/ Umwelt/ Ökologie)
- Mathias Schmitz (KV Pinneberg)
- Sebastian Dorn (KV Kiel)
- Kornelia Mrowitzky (KV Lauenburg)
- Hans-Jürgen Bethe (KV Pinneberg)
- Arne Drews (KV Plön)
- Michael Spandern (KV Kiel)
- Tanja Matthies (KV Dithmarschen)
- Susanne Hilbrecht (KV Dithmarschen)
- Dr. Laura Schwabe (KV Lauenburg)
- Rainer Borcherding (KV Schleswig-Flensburg)
- Gerd Weichelt (KV Dithmarschen)
- Jan Karthäuser (KV Ostholstein)
- Kerstin Mock-Hofeditz (KV Nordfriesland)
- Sebastian Bonau (KV Schleswig-Flensburg)
- Kornelia Mrowitzky (KV Herzogtum Lauenburg)
- Michael Spandern (KV Kiel)
- Rolf Martens (OV Region Heide)
- Michaela Dämmrich (KV Stormarn)
- Tanja Matthies (KV Dithmarschen)
- Anne Ipsen (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Mayra Vriesema (sie) (KV Nordfriesland)
- Gabriele Piachnow-Schmidt (KV Steinburg)
- Sylvia Molina (KV Pinneberg)
- Petra Kärgel (KV Pinneberg)
- Christine Ax (KV Nordfriesland)
- Christina Birnbacher (KV Stormarn)
- Petra Ludwig-Sidow (KV Stormarn)
- Sven Gebhardt (KV Flensburg)
- Marlene Langholz-Kaiser (KV Flensburg)
- Karen Jakstadt (KV Kiel)
- Nour AlAli (KV Schleswig-Flensburg)
- Uta Röpcke (KV Hzgt Lauenburg)
- Jennifer Herbert (KV Schleswig-Flensburg)
- Christian Judith (KV Schleswig-Flensburg)
- Christine Herde-Hitziger (KV Pinneberg)
- Claudia Jürgens (KV Kiel)
- Christine Böttcher (KV Segeberg)
- Esther Drewsen (KV Nordfriesland)
- Silke Backsen (KV Nordfriesland)
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