Veranstaltung: | Landesparteitag |
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Tagesordnungspunkt: | 1. Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Bildung (dort beschlossen am: 31.03.2021) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 02.04.2021, 16:23 |
B 2: Elternwillen stärken – Inklusion ohne Ressourcenvorbehalt weiterentwickeln – Schulgesetz anpassen
Antragstext
Das Schulgesetz in Schleswig-Holstein räumt der Inklusion von Schülerinnen und
Schülern mit sonderpädagogischen Förderbedarfen einen hohen Stellenwert ein. Bei
der Benennung der pädagogischen Ziele im § 4 (13) SchulG heißt es:
„Schülerinnen und Schüler mit Behinderung sind besonders zu unterstützen. Das
Ziel einer inklusiven Beschulung steht dabei im Vordergrund.“
Dieses Ziel wird im § 5 (2) SchulG allerdings durch den sogenannten
„Ressourcenvorbehalt“ eingeschränkt:
„Schülerinnen und Schüler sollen unabhängig von dem Vorliegen eines
sonderpädagogischen Förderbedarfs gemeinsam unterrichtet werden, soweit es die
organisatorischen, personellen und sächlichen Möglichkeiten erlauben und es der
individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem
Förderbedarf entspricht (gemeinsamer Unterricht).“
Der Landesparteitag möge beschließen, dass
- Bündnis 90 / Die Grünen die Streichung des Ressourcenvorbehaltes zur
Weiterentwicklung der schulischen Inklusion als Ziel festlegen.
- das Ziel der Streichung dieser Gesetzesstelle unter den Leitideen
„Inklusion“ und „Bildungsgerechtigkeit“ an geeigneter Stelle in das
zukünftige Wahlprogramm aufgenommen wird.
- in Kooperation verschiedener Landesarbeitsgemeinschaften die Standards
beschrieben werden, die einen allgemeingültigen organisatorischen,
sächlichen und personellen Rahmen als garantiertes Angebot definieren.
Diese Arbeit sollte auch einbeziehen, welche Wege der Sicherstellung von
erforderlichen Hilfsmitteln dienen können, über die in unterschiedlichen
Zuständigkeiten (Krankenkassen, besondere Hilfen nach SGB) entschieden
wird. Die LAG Bildung erhält den Auftrag, diese Kooperation zu
organisieren.
- in Kooperation verschiedener Landesarbeitsgemeinschaften erarbeitet wird,
wie die kommunalen Schulträger durch Förderung mit Landesmitteln bei der
Schaffung baulicher, organisatorischer und sächlicher Voraussetzungen für
Inklusionsmaßnahmen unterstützt werden können. Die LAG Bildung erhält den
Auftrag, diese Kooperation zu organisieren.
- sich Bündnis 90 / Die Grünen für die weitere Verbesserung der personellen
Ausstattung einsetzen, die für eine inklusive Förderung erforderlich ist:
Dazu sind als politische Ziele zusätzliche Einstellungen von Personal,
zielgerichtete Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie
rechtskreisübergreifende Kooperationen auszuweisen.
Begründung
Bündnis 90 / Die Grünen haben sich entschlossen für ein bildungsgerechtes Schulsystem und für die Weiterentwicklung inklusiver Prozesse eingesetzt. Wir haben uns dabei für einen dual-inklusives Angebot entschieden, das Kindern die Bildungsteilhabe an Regelschulen oder an Förderzentren ermöglicht. Im Landtags-Wahlprogramm 2017 haben wir uns zur Stärkung der Inklusion und der unverzichtbaren Förderzentren bekannt. Als wichtiger Grund für diese Position wurde auch der Elternwille benannt: Sorgeberechtigten sollte mit ihren Kindern bei einem vorliegenden sonderpädagogischen Förderbedarf eine echte Wahl für den Ort der schulischen Förderung treffen können. Mit der Streichung des Ressourcenvorbehaltes kann das in der UN-Behindertenkonvention festgeschriebene Recht auf eine inklusive Förderung allein am Bedarf durch den Elternwillen und die Entscheidungsbeteiligung betroffener Schüler*innen gewährleistet und weiterentwickelt werden. Mit einer solchen Entscheidung wird der Prozess befördert, dass sich die Schulen entsprechend der individuellen Voraussetzungen und besonderen Unterstützungsbedarfe der Schüler*innen personell, sächlich und organisatorisch weiterentwickeln. Dabei sind zeitliche Vorläufe zu berücksichtigen, die durch geeignete Verfahrenswege die erforderliche Planung und Umsetzung erforderlicher Maßnahmen ermöglichen.
Eltern, die eine inklusive Förderung für ihr Kind wünschen, wird mit dem Ressourcenvorbehalt suggeriert, dass es eine definierte und allgemeingültige Grenze der gesellschaftlichen Belastbarkeit im Hinblick auf Erfordernisse der Inklusion gebe und dass sie sich mühen müssen, akzeptabel darzulegen, warum ihr Ansinnen innerhalb des akzeptierten, des „machbaren“ Rahmens sei. Einen definierten Begrenzungsrahmen als Landesstandard gibt es allerdings nicht. So wird die Genehmigung einer Inklusionsmaßnahme von regionalen und lokalen Bedingungen abhängig: Besetzung und Anzahl der Planstellen, Haushaltslage der Schulträger, rechtskreisübergreifende Kooperationen. Die sächlichen, organisatorischen und personellen Ausstattungsperspektiven in der Inklusion sind nicht allgemeingültig definiert, aber zugleich Entscheidungsgrundlage für oder gegen eine Inklusionsmaßnahme. Die Bildungsgerechtigkeit ist unter dieser Maßgabe nicht zu gewährleisten.
Eltern werden so zu Bittstellern, die mit ihrer selbstverständlichen Absicht, das eigene Kind am gemeinsamen Lernen im sozialen Umfeld teilhaben zu lassen, die Prüfung des Ressourcenvorbehaltes durchstehen müssen. Der Ressourcenvorbehalt lähmt den Fortschritt in der inklusiven Förderung. Er ermöglicht in einem wohlhabenden Land, dass die Schulaufsicht und zuständige Schulen die Inklusion von Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf und den Elternwillen aufgrund organisatorischer, personeller und sächlicher Ausstattungsgrenzen beschränken können.
Die Bundesrepublik Deutschland hat am 30.03.2007 die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) unterschrieben und ihr am 21.12.2008 durch ein entsprechendes Gesetz zugestimmt. Die UN-BRK verpflichtet ihre Mitzeichner-Staaten zur Ausschöpfung ihrer verfügbaren Mittel – auch im Rahmen internationaler Zusammenarbeit – um die in der Konvention festgelegten Ziele zu erreichen. Dazu gehört auch das im Artikel 24 UN-BRK geschützte Recht auf uneingeschränkte Teilhabe an Bildung für Menschen mit Behinderung.
Im Artikel 6 (2) Grundgesetz wird das elterliche Recht garantiert, über alle erzieherischen Fragen der eigenen Kinder maßgeblich zu entscheiden. Das sollte auch beim Vorliegen besonderer Unterstützungsbedarfe in Schule gelten, indem Eltern sich mit ihren Kindern frei von den Einschränkungen eines Ressourcenvorbehaltes für eine Förderung in der Regelschule oder an einem Förderzentrum entscheiden können.
Im Artikel 7 GG wird dem Staat zwar das Recht zur Organisation des Schulwesens zugesprochen, aber so wie das Elternrecht auf Erziehung zugleich eine Pflicht beinhaltet, so beinhaltet diese Befugnis des Staates zugleich eine Verpflichtung, ein Schulsystem bereitzustellen, das in seiner äußeren und vor allem inneren Ausdifferenzierung einer sehr heterogenen Schülerschaft eine gerechte Teilhabe an guter Bildung ermöglicht.
Der Ressourcenvorbehalt spiegelt wider, dass eine Gesellschaft zwischen Kindern einen wertenden Unterschied macht, statt sie ihrem individuellen (Unterstützungs-) Bedarf entsprechend zu fördern, und zwar an dem schulischen Ort, den Eltern wünschen, der dem Kindeswohl dient und der den Schülerinnen und Schülern ein gemeinsames Lernen in ihrem sozialen Umfeld ermöglicht.
Der Ressourcenvorbehalt ist daher aus dem Schulgesetz zu streichen.
Unterstützer*innen
- Björn Hennig (KV Ostholstein)
- Regine Planer-Regis (KV Herzogtum Lauenburg)
- Christian Osbar (KV Kiel)
- Katrin Engeln (KV Ostholstein)
- Sina Clorius (KvV Schleswig-Flensburg)
- Annie Schubart (KV Ostholstein)
- Petra Kärgel (KV Pinneberg)
- Christine Herde-Hitziger (KV Pinneberg)
- Mathias Schmitz (KV Pinneberg)
- Renate Frie (KV Pinneberg)
- Jan Karthäuser (KV Ostholstein)
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