Veranstaltung: | Landesparteitag |
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Tagesordnungspunkt: | 1. Anträge |
Antragsteller*in: | LAG Kinder Jugend Familie (dort beschlossen am: 29.03.2021) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 02.04.2021, 18:28 |
F 2: Rahmenbedingungen für ein bedarfsgerechtes Kinderbetreuungsangebot verbessern
Antragstext
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schleswig-Holstein setzt sich dafür ein, die Vereinbarkeit
von Beruf und Privatleben durch eine Förderung passgenauer Betreuungsangebote
für Kinder weiter zu stärken. Die Betreuungszeiten der Kinder könnten dadurch
besser zu den Arbeitszeiten der Eltern passen. Eltern mit Berufen im
Schichtdienst wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf so erleichtert, ohne
dass sie durch Randzeiten-Nutzung einen finanziellen Nachteil haben. Durch diese
Anpassung wird für viele Familien eine Betreuung nur durch Eltern und KiTa bzw.
Tagespflegeperson erst möglich und stressige Doppellösungen müssen nicht mehr in
Anspruch genommen werden. Kindern gibt das eine stabile und verlässliche
Betreuungsumgebung und Tagesstruktur. Familien gewinnen so mehr Zeit
miteinander. Hierzu werden finanzielle und rechtliche Rahmenbedingungen
geschaffen, die es den Trägern in den Kommunen erleichtern, entsprechende
Angebote zu schaffen, z.B.:
Die Gebühren für Kinderbetreuung sollen sich an einem Stunden-Modell
ausrichten, nicht nach den Uhrzeiten der Betreuung, damit die beruflich
notwendige Inanspruchnahme von Früh- und Spätdiensten keinen finanziellen
Nachteil im Vergleich zu anderen Familien bedeutet.
Änderung der Maximalstundenzahl pro Woche von 50h pro Kind auf eine
Maximalstundenzahl von 217h pro Kind und Monat (Die durchschnittliche
Stundenzahl pro Monat bleibt in etwa gleich, es wird aber eine flexible
Verteilung der Stunden über den Monat ermöglicht.
Änderung der Bewertung von Schlafzeiten der Kinder bei Übernachtungen.
Diese sollten nicht als volle Betreuungsstunden für das Kind gezählt
werden.
Die Tagespflegepersonen sollen für flexible Betreuungsangebote
frühmorgens, abends und nachts eine Prämie erhalten, um diese attraktiver
zu machen.
Vorantreiben der gesellschaftlichen Akzeptanz von Fremdbetreuung während
der Arbeitszeit der Eltern auch zu bisher ungewöhnlichen Uhrzeiten durch
eine öffentlichkeitswirksame Kampagne. Letztere sollte u.a. Best-Practice-
Beispiele aus anderen Ländern (z.B. Dänemark, Frankreich etc.)enthalten,
in denen das Thema selbstverständlicher diskutiert wird.
Die Förderung von Kooperationen zwischen Kita-
Trägern/Kindertagespflegepersonen und Wirtschaftsunternehmen. Letztere
sollen sich an der Finanzierung qualitativ hochwertiger und
bedarfsgerechter Betreuungsangebote beteiligen.
Begründung
Mit der Reform des Kita-Gesetzes wurde ein großes Projekt in Angriff genommen, das in zahlreichen Kommunen zu einer finanziellen Entlastung von Eltern und zu einer verbesserten Betreuungsqualität führen wird. Die Kommunen erhalten darüber hinaus Geld, welches dringend für den weiteren Ausbau der Betreuungsinfrastruktur benötigt wird. Ein Aspekt, der bisher noch nicht bearbeitet wurde, ist der Ausbau flexibler Kinderbetreuungsangebote. Vor dem Hintergrund des Strukturwandels in der Arbeitswelt und der damit zusammenhängenden abnehmenden Trennschärfe zwischen Erwerbs- und Familienleben, leiden Familien häufig unter Zeitkonflikten (BMFSFJ 2008). Das ist ein Umstand, den wir langfristig politisch verändern möchten, beispielsweise über eine allgemeine Verringerung der Normalarbeitszeit für Menschen in Betreuungsverantwortung und eine gerechtere Verteilung von Care-Arbeit zwischen den Geschlechtern.
Aktuell stehen insbesondere alleinerziehende Eltern und solche mit Arbeitszeiten, die außerhalb der klassischen Kernarbeitszeiten zwischen 9 und 17 Uhr liegen (z.B. Schichtdienst, regelmäßige Überstunden, Nachtdienst, Wochenendarbeit) vor der Herausforderung, passende Betreuungsangebote für ihre Kinder zu finden. Dies gilt vor allem für pflegende und soziale Berufe, in denen überwiegend Frauen beschäftigt sind, die bisher auch immer noch den Hauptanteil der „Familienarbeit“ übernehmen. Noch dominiert ein zeitlich starres, an Normalarbeitszeiten orientiertes Angebot, so dass Eltern in der Regel ein komplexes „Betreuungspatchwork“ basteln müssen, um Beruf und Familie in Einklang zu bringen. Schon kleinste Abweichungen im Tagesablauf können die Organisation des Familienalltags aus dem Gleichgewicht bringen. Gleichzeitig dürfen Eltern, z.B. in Handwerks- und Pflegeberufen, keine finanziellen Nachteile entstehen, wenn sie Betreuung nach ihren Bedarfen in Anspruch nehmen.
Ein flexibles Betreuungsangebot umfasst längere Öffnungszeiten, eine bedarfsgerechte Inanspruchnahme der Betreuungszeiten (Umfang und unterschiedliche Zeitfenster), Möglichkeiten der Abend-, Nacht- und Wochenendbetreuung, Ferienangebote sowie Notfallbetreuung in unvorhergesehenen Fällen. Es braucht somit unterschiedliche und ineinandergreifende Betreuungsmodelle, wobei Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflegepersonen auf gegenseitige Unterstützung oder auf Vernetzung und Kooperation mit anderen Trägern angewiesen sind.
Natürlich sind bedarfsgerechte zeitliche Betreuungsangebote stets vor dem Hintergrund der Sicherstellung des Kindeswohls, insbesondere im Sinne einer kontinuierlichen und stabilen Erzieher*innen-Kind-Beziehung, zu gewährleisten. Bisher lässt sich nicht beobachten, dass eine Ausweitung der zur Verfügung stehenden Betreuungszeiten dazu führt, dass die Kinder insgesamt länger betreut werden, vielmehr werden die Betreuungsstunden auf der täglichen Zeitachse verschoben (Pfahl et al. 2018). Ein Beispiel wäre ein Angestellter in einem Eiscafé, der bis in die Abendstunden arbeitet und erst durch das flexible Betreuungsangebot der Kita die Möglichkeit hat, sein Kind erst um 11 Uhr (statt 2-3 Stunden früher) in die Einrichtung zu bringen, wo es dann bis nach Feierabend (19 Uhr) betreut wird.
Im Koalitionsvertrag heißt es:
„Auch in Zukunft werden wir uns für einen bedarfsgerechten Ausbau an Betreuungsangeboten einsetzen. Um eine verlässliche Förderung der Kinder und eine optimale Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicherzustellen, ist es notwendig, dass die Eltern vor Ort passgenaue Angebote in Anspruch nehmen können. Dabei bedarf es auch ausreichender Ganztags- und Randzeitenangebote. Hier ist die Versorgung im Land noch sehr unterschiedlich. Daher wollen wir den weiteren Ausbau von Angeboten bei freien und kommunalen Trägern fördern, betriebliche Angebote unterstützen und Initiativen für Notfall- und Randzeitenbetreuung stärken.“
Im Ländervergleich zeigt sich, dass Schleswig-Holstein über einen vergleichsweise geringen Anteil von flexiblen Betreuungsangeboten verfügt. Etwas mehr als die Hälfte der Kitas schließen vor 16:30 Uhr, 40 Prozent schließen zwischen 16:30 und 18 Uhr und nur 1,4 Prozent haben nach 18 Uhr geöffnet (Ländermonitor 2017). Die betriebsnahe Kita Kiwi in Flensburg bildet eine Ausnahme, indem sie bedarfsorientierte Betreuungszeiten anbietet, die sogar die Möglichkeit der Übernachtung von Kindern einschließt. Während dieses Modell auf eine betriebliche Finanzierung angewiesen ist, ist die Bereitstellung von Notfall- und Randzeitenbetreuungsangeboten für den Großteil der Einrichtungen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten bei einer pro-Kopf Finanzierung nicht rentabel, es bedarf daher stärkerer finanzieller Anreize durch das Land.
Quellen:
Pfahl, Svenja; Rauschnick, Laura; Reuyß, Stefan; Rinderspacher, Jürgen P. (2018): Kinderbetreuung über Nacht. Kritische Bestandsaufnahme einer institutionellen Kinderbetreuung rund um die Uhr aus der Sicht von Beschäftigten, Kindern, pädagogischen Fachkräften und betrieblichen Akteuren. Hans-Böckler-Stiftung. Online verfügbar unter: https://www.boeckler.de/pdf/p_study_hbs_382.pdf (zuletzt aufgesucht September 2009).
Ländermonitor Frühkindliche Bildung. Online verfügbar unter: https://www.laendermonitor.de/de/vergleich-bundeslaender-daten/personal-und-einrichtungen/kita-strukturen/oeffnungszeiten-von-kitas/?tx_itaohyperion_pluginview%5Baction%5D=chart&tx_itaohyperion_pluginview%5-Bcontroller%5D=PluginView&cHash=5568a90f539a471e23515df35d03745d.
Unterstützer*innen
- Denise Loop (KV Dithmarschen)
- Nadine Mai (KV Pinneberg)
- Hans-Peter Hopp (KV Ostholstein)
- Christina Birnbacher (KV Stormarn)
- Sven Gebhardt (KV Flensburg)
- Renate Frie (KV Pinneberg)
Änderungsanträge
- F 2.1 (Eka von Kalben, KV Pinneberg, Eingereicht)
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