Veranstaltung: | Landesparteitag |
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Tagesordnungspunkt: | 1. Anträge |
Antragsteller*in: | Landesarbeitsgemeinschaft Säkulare Grüne (dort beschlossen am: 02.04.2021) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 02.04.2021, 22:25 |
D 5: Betroffene sexueller Gewalt schützen und sexuellen Missbrauch aufklären!
Antragstext
Sexueller Missbrauch und dessen, heute vor allem über das Internet verbreitete
Darstellung, bleibt ein gravierendes, gesellschaftliches Problem. Sexueller
Missbrauch findet weiterhin überwiegend im familiären Umfeld statt. Er findet
sehr häufig dort statt, wo Abhängigkeitsverhältnisse und Strukturen bestehen,
die sexuellen Missbrauch begünstigen und dessen Aufklärung erschweren –
beispielsweise in Bildungseinrichtungen oder Sportvereinen. Sexueller Missbrauch
findet auch in staatlichen und kirchlichen Einrichtungen statt. Die Bekämpfung
und die Aufklärung dieser schrecklichen Taten muss dringend verbessert werden.
Wir müssen alles dafür tun, Kinder vor sexualisierter Gewalt zu schützen. Auch
Darstellungen von sexualisierter Gewalt gegen Kinder müssen in aller
rechtsstaatlichen Entschlossenheit bekämpft werden. Damit es gar nicht erst zu
Gewalttaten kommt, sind präventive Maßnahmen zentral. Wir müssen als
Gesellschaft sensibel und aufmerksam auf erste Anzeichen von Gewalt reagieren.
Egal ob im Familienumfeld, in der Kita, Schule oder dem Sportverein. In sozialen
Netzwerken, Messenger-Diensten oder Chats in Spielen, ist die Kontaktaufnahme
von fremden Erwachsenen mit Kindern so einfach wie nie, deshalb ist eine auch
digitale Präventionsstrategie seit langem überfällig. Es braucht zudem
flächendeckend Fortbildungen von Lehrkräften und Erzieher*innen, Ärzt*innen, den
Mitarbeiter*innen der Kinder- und Jugendhilfe und von Familienrichter*innen.
Dazu gehört auch die Stärkung von Jugendämtern und Beratungsstrukturen.
Instrumente und Möglichkeiten beim Kampf gegen sexualisierte Gewalt und seine
Darstellung gibt es viele - es bedarf endlich der konsequenten Umsetzung eines
ganzen Bündels an Maßnahmen, um den Kampf gegen sexuelle
Missbrauchsdarstellungen weiter zu verbessern. Hierauf weisen wir seit langem
hin, passiert ist jedoch viel zu wenig. Die Strafverfolgung muss effektiviert
werden. Dazu gehören unter anderem der Einsatz gut geschulten Personals bei
Polizei und Justiz, neueste Bilderkennungssoftware, effektivere Kooperation von
Strafverfolgungsbehörden und Plattformen, verbesserte Meldewege und vieles mehr.
Der im Koalitionsvertrag verankerte „Pakt für den Rechtsstaat“ muss in allen
Bereichen der Justiz- und Strafverfolgung mit Leben gefüllt und entschlossen
umgesetzt werden.
Durch reine Strafverschärfungen lässt sich kein Täter von seinem schrecklichen
Tun abbringen. Es kommt v.a. auf einen hohen Ermittlungsdruck und ein hohes
Verurteilungsrisiko an. Statt die Strafverfolger, insbesondere die Polizei,
tatsächlich effektiv bei ihrer teils extrem belastenden Arbeit zu unterstützen,
verspricht man ihnen mit der Vorratsdatenspeicherung, die in Deutschland nach
höchstrichterlichen Urteilen seit Jahren ausgesetzt ist, erneut ein
Ermittlungsinstrument, das mit geltendem deutschem und EU-Recht unvereinbar ist.
Das ist rechtspolitisch unlauter und führt eben nicht zu der notwendigen
Effektivierung der Strafverfolgung und notwendigen Rechtssicherheit – ganz im
Gegenteil. Die organisierten Strukturen der Verbreitung von
Missbrauchsdarstellungen sind längst international vernetzt. Unsere Strategie
zur Bekämpfung dieser Straftaten muss es daher auch sein, vorliegende
Reformvorschläge für das familiengerichtliche Verfahren müssen entschlossen
umgesetzt werden.
Als BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sprechen wir uns für ein gesamtgesellschaftliches
Vorgehen gegen sexuellen Missbrauch und die lückenlose Aufklärung von sexuellem
Missbrauch auch in staatlichen sowie kirchlichen Institutionen aus. Hierbei
müssen der Opferschutz sowie die Beratung im Zentrum stehen. Wir erkennen die
Bemühungen unter anderem der katholischen Kirche in Deutschland, der EKD und des
Zentralrats der Muslime an, den Schutz vor sexualisierter Gewalt zu verbessern.
Diese Bemühungen und die notwendige Aufklärung müssen dringend weiter ausgebaut
werden. Aus den bereits jetzt schon bestehenden Erkenntnissen müssen die
notwendigen, auch personellen Konsequenzen gezogen und Staatsanwaltschaften in
die Aufklärung einbezogen werden.
Der Landesvorstand, die Landtagsfraktion und die Bundestagsfraktion werden
gebeten, gemeinsam mit den Betroffen sowie ihren Verbänden, Beratungsstellen,
Wissenschaftler*innen, Beauftragten, den kirchlichen Einrichtungen und den
staatlichen Institutionen weitere Gespräche zu führen und nach gemeinsamen
Lösungen suchen, bei denen vor allem die Interessen der Betroffenen im
Mittelpunkt stehen müssen.
Daher wollen wir,
- dass auf Landesebene die Aufklärung von sexuellem Missbrauch in
staatlichen und kirchlichen Institutionen von Seiten der Politik mit der
notwendigen Entschlossenheit vorangetrieben wird.
- dass die „UBSKM-Empfehlungen für die Bundesländer für eine verbesserte
Bekämpfung von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche und ihre
Folgen“ vollständig umgesetzt werden.
- dass die Aufklärung zu sexuellem Missbrauch parlamentarisch eng begleitet
wird, ähnlich wie bei der Aufarbeitung der Medikamentenversuche in
schleswig-holsteinischen Einrichtungen der Behindertenhilfe sowie der
Erwachsenen-, Kinder- und Jugendpsychatrien in den Jahren 1949 bis 1975.
- dass die Kapazitäten bei Polizei, Justiz und Staatsanwaltschaft(en)
hierfür aufgestockt werden.
- dass es ein sehr viel größeres Angebot an zielgruppenspezifischen
Seminaren zu sexualisierter Gewalt sowie Fortbildungsmaßnahmen gibt.
- dass Opferberatungsstellen mit Schwerpunkt auf sexuellen Missbrauch
gestärkt werden.
- dass das Opferentschädigungsgesetz konsequent umgesetzt wird.
- dass Landesmittel bereitgestellt werden für Forschung zu sexuellem
Missbrauch.
Begründung
Erfolgt mündlich.
Unterstützer*innen
- Björn Hennig (KV Ostholstein)
- Christine Herde-Hitziger (KV Pinneberg)
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