Veranstaltung: | Landesparteitag |
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Tagesordnungspunkt: | 1. Anträge |
Antragsteller*in: | Steffen Regis (KV Kiel), Malte Krüger (KV Steinburg), Birte Schramm (KV Flensburg), Hans-Peter Hopp (KV Ostholstein), Ann-Kathrin Tranziska (KV Pinneberg), Marlene Langholz-Kaiser (KV Flensburg), Benita von Brackel-Schmidt (KV Flensburg), Mayra Vriesema (KV Nordfriesland), Bruno Hönel (KV Lübeck), Regine Planer-Regis (KV Hzgt. Lauenburg), Denise Loop (KV Dithmarschen) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 02.04.2021, 23:47 |
B 4: Chancen für alle! Was wir nicht erst seit der Corona-Krise für ein gerechtes Bildungssystem tun müssen
Antragstext
In der Corona-Krise werden gesellschaftliche Probleme wie durch ein Brennglas
fokussiert. Aber nicht nur das: Die Corona-Krise verschärft soziale
Ungleichheiten und zeigt auf, wie dringend wir Zukunftsinvestitionen in die
Bildung und eine bildungspolitische Gerechtigkeitswende brauchen.
Für uns erwächst aus den Beobachtungen der Corona-Zeit der politische Auftrag,
die seit Jahrhunderten bestehende und immer noch schmerzlich bemerkbare deutsche
Bildungsungerechtigkeit abzubauen. Denn: Deutschland hat bei der Frage der
Chancengleichheit im internationalen Vergleich eines der schlechtesten
Bildungssysteme. Die soziale Herkunft eines Kindes bestimmt in Deutschland
wesentlich dessen Bildungschancen („Bildungstrichter“). Kinder aus nicht-
akademischen Haushalten haben deutlich schlechtere Chancen auf einen höheren
Bildungsabschluss. 21 % dieser Kinder nahmen 2016 ein Studium auf, dem stehen 74
% der Kinder aus Akademiker*innenhaushalten gegenüber. Akademiker*innenhaushalte
machen aber in der Bevölkerung nur etwa 22 % aus. Wer aus einer wohlhabenden
Familie kommt, ist deutlich im Vorteil gegenüber Menschen aus Familien mit
geringen finanziellen Ressourcen. Familien mit höheren Einkommen können ihren
Kindern leichter finanzielle Unterstützung geben und ihnen somit einen gewissen
Freiraum bieten, um früh Talente zu entwickeln und einen besseren Bildungsstart
zu haben. In der Folge ist es für sie leichter, einen höheren Abschluss zu
erreichen und einen höheren Karriereweg einzuschlagen, wovon deren Kinder
wiederum profitieren können. Dass die Vermögensverteilung zwischen Elternhäusern
darüber entscheidet, wie Kinder und Jugendliche Begabungen entwickeln können und
welche Zukunftschancen ihnen offenstehen, ist ein brisantes
Gerechtigkeitsproblem, welches sich in der Corona-Krise verschärft.
Viele junge Menschen können sich oft keine Ausbildung leisten, weil diese mit zu
hohen Kosten verbunden sind. Wer kann, muss oft von Ersparnissen leben, nebenbei
arbeiten oder ist vom Elternhaus finanziell abhängig. Die finanzielle
Unterstützung für Ausbildungen ist unzureichend und altersdiskriminierend. Dass
aus diesen Gründen zahlreiche Ausbildungsplätze nicht besetzt sind, stellt uns
auch gesellschaftlich vor große Probleme: Für die anstehende sozial-ökologische
Transformation der Wirtschaft werden wir alle Kompetenzen, für Theorie und
Praxis, brauchen.
Die Corona-Situation war und ist eine radikale Veränderung des Lebensalltags,
die oft einhergeht mit einem Gefühl der Ohnmacht gegenüber Entscheidungen, die
von außen über die Köpfe hinweg getroffen wurden. Über Kinder und Jugendliche
wurde viel gesprochen, über Auszubildende, Studierende und Lehrende schon
weniger. Oft erfuhren alle Beteiligten erst aus den Nachrichten, welche Regeln
in den nächsten Tagen gelten werden. Zerrieben im dysfunktionalen
Bildungsföderalismus wurde entschieden, nicht-entschieden oder falsch
entschieden, eine gemeinsame Bewältigung der Krise fand kaum statt. Auch in
Schleswig-Holstein wurden Fehler gemacht. Lehrkräfte, Schüler*innen und Eltern
haben durch enormen persönlichen Einsatz vieles kompensiert, sind zum Teil aber
auch zurecht von Entscheidungen und unausgegorenen politischen Vorstößen
enttäuscht. Es muss eine Aufarbeitung und kritische Reflexion des sozialen und
bildungspolitischen Umgangs mit der Pandemie erfolgen, wobei insbesondere die
Entscheidungsfindung zu reflektieren ist.
Es ist kaum zu rechtfertigen, dass Schulen, Schüler*innen-, Ausbildungs- und
Studierendenvertretungen oft nur Beiwerk bei Entscheidungen sind. Gerechtigkeit
hängt auch davon ab, politisch Gehör zu finden und strukturell an politischen
Entscheidungen beteiligt zu sein. Unsere plurale Demokratie würde gestärkt, wenn
Parlamente und Regierungen ein ausgeglicheneres Generationenverhältnis hätten.
Nur 2 % der Abgeordneten des Deutschen Bundestages waren bei ihrer Wahl 2017
jünger als 30 Jahre. 2018 machten die 20- bis 29-Jährigen immerhin 11,8 % der
Bevölkerung aus. Dabei sind politische Entscheidungen das Eine, das alltägliche
Erleben der Werte und Chancen in der Demokratie das Andere. Wir können auch in
Kitas, Schulen und Hochschulen mehr Demokratie wagen, um unsere Demokratie zu
festigen und sie von frühen Kindertagen an als positiven Rahmen zu erlernen. Es
würde nicht über Köpfe hinweg entschieden, sondern miteinander nach den besten
Lösungen gesucht.
Bildung braucht Priorität
Wenn wir die bestehenden Ungerechtigkeiten strukturell abbauen wollen und
künftig Talente, Genies und Impfstoff-Entdecker*innen auch dann unterstützen und
fördern wollen, wenn sie es zuhause nicht leicht haben, wenn wir wirklich
niemanden mehr durchs Raster fallen lassen wollen, dann bedeutet das ein
deutliches Bekenntnis und entschiedenes Handeln für ein Bildungssystem, das
unabhängig von der finanziellen Ausstattung der Elternhäuser allen die gleichen
Chancen bietet. Wir verlieren als ganze Gesellschaft, wenn wir weiter in einem
unterfinanzierten Bildungssystem festhängen. Für uns GRÜNE steht fest, dass mehr
öffentliche Finanzmittel für das Bildungssystem zur Verfügung gestellt werden
müssen. Anders als zum Beispiel in den skandinavischen Ländern sind bei uns
Privatschulen verbreitet. Diese sorgen dafür, dass im Schulsystem verschiedene
Niveaus von Schulfinanzierungen strukturell etabliert sind. Eine
Neustrukturierung dieses Gefälles ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht
einfach möglich. Aus diesem Grund muss staatliches Handeln darauf ausgerichtet
sein, eine bessere Finanzierung allgemeinbildender Schulen zu erreichen.
Bringt die Corona-Pandemie unweigerlich „verlorene Jahrgänge”? Nein. Denn es
gibt sie, die beispielhaften Schulen, Bildungsangebote und vor allem unendlich
viele engagierte Menschen, die ihr Bestes geben, um junge Menschen in der
Pandemie zu unterstützen und Nachteile von ihnen abzuwenden. Es funktioniert
schon im Kleinen und es kann für alle funktionieren. Jetzt gibt es die Chance,
vorhandene Umbrüche zu nutzen und das Bildungssystem gerecht zu transformieren.
Die Entscheidungen, die wir heute fällen, sind richtungsweisend für den
zukünftigen Wohlstand aber auch den Weg unserer Gesellschaftsordnung. Jetzt
können wir zeigen, dass wir den weitreichenden Corona-Folgen begegnen und die
Strukturen sozialer Ungerechtigkeit mit politischer Entschlossenheit bekämpfen
wollen.
Deshalb: Priorität für Bildung!
Dafür brauchen wir:
Einen neuen gesellschaftlichen Konsens! Finanzielle Ressourcen in immensem
Umfang müssen in das Bildungssystem verlagert werden und dabei dem Ziel
von mehr Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit entsprechend
eingesetzt werden. Mehr Betreuer*innen, Erzieher*innen und Lehrende für
kleinere Gruppen, soziale und pädagogische Unterstützung, hochwertige
Ganztagsangebote und niedrigschwellige Anlaufstellen für Schwierigkeiten
aller Art. Moderne Gebäude, technische und digitale Ausstattung, die
besten Lernmittel um zeitgemäßes Lernen zu ermöglichen. Finanzielle
Zugangshürden und insbesondere Gebühren im Bildungsbereich müssen wir
abbauen, da sie soziale Ungerechtigkeiten weiter verstärken. Die
Bildungsetats von Bund und Ländern müssen dafür deutlich steigen. Während
Deutschland 2017 4,2% des Bruttoinlandsprodukts für Bildung ausgab, waren
es im Durchschnitt der OECD 4,9% und beim Spitzenreiter Norwegen 6,6%.
Hier besteht erheblicher Nachholbedarf.
Den konsequenten Abbau finanzieller Bildungshürden. Es wäre eine massive
Erleichterung, wenn finanzielle Anforderungen, wie Kosten für Schulbücher
und Lernmaterialien, Kosten für den Transport zur Schule, Gebühren für
soziale Ausbildungen, Studienverwaltungsgebühren, Gebühren für die
Teilnahme an Studieneingangstests und/oder Sprachtests abgeschafft würden.
Mit kostenlosen Weiterbildungen wird es für Menschen leichter, (wieder) zu
lernen, egal in welcher Lebenslage sie sich gerade befinden. Ein
Bildungsbudget für jede*n Bürger*in kann dafür ein neues Instrument sein,
welches den Menschen neue Türen öffnet und sie selbst über weitere
Bildungswege entscheiden lässt.
Bildungsbrücken bauen! Ein umfassendes Betreuungsangebot, erweiterte
Ganztagsbetreuung mit hochwertigen Angeboten, unterstützt durch
Bildungslots*innen oder -pat*innen und Tutor*innen in Schulen, Hochschulen
und kostenlose Summer Schools wirken unmittelbar und beugen weiteren
Entwicklungsproblemen vor. Das Engagement der Lehrer*innen wird
unterstützt durch multiprofessionelle Teams, die ihre Fähigkeiten in
speziellen Bereichen wie der Sprachförderung, Inklusion, Digitalisierung,
Berufsorientierung oder Sozialpädagogik einbringen. Bei Ferienkursen
könnten neue soziale Kontakte geknüpft, Freizeit erlebt und freiwillig
Wissenslücken geschlossen werden. Die Eingangsphase an Hochschulen kann
nach dieser schweren Zeit für ein „0. Semester“ genutzt werden, um
Wissenslücken zu schließen, Orientierung zu geben und spätere
Studienabbrüche verringern. Diese Möglichkeiten bieten Kindern,
Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Chance, sich bestmöglich zu
entwickeln, eigene Talente zu entdecken und dabei gezielt gefördert zu
werden. Für das alles benötigen wir einen bundesweiten
Bildungsrettungsfonds.
Ausbau der psychologischen Erstanlaufstellen insbesondere für Kinder,
Jugendliche und junge Erwachsene! Das psychotherapeutische und
psychosoziale Angebot muss überall erweitert werden, sodass auch
diejenigen wieder Halt finden, denen diese Krise so schwer zu schaffen
macht. Der Ausbau der psychologischen Therapieangebote ist dringend
notwendig, da die Versorgung in diesem medizinischen Bereich schon vor der
Pandemie dramatisch unterentwickelt war und nun noch mehr unter Druck
stehen wird. Eine kurzfristige deutliche Steigerung der Kassenzulassungen
von Therapeut*innen ist geboten.
Eine umfassende Reform der Bildungsfinanzierung! Es muss allen Menschen–
egal aus welchem Elternhaus – ermöglicht werden, ein Studium oder eine
Ausbildung zu absolvieren. Ohne Altersgrenzen, losgelöst vom Elternhaus
und als Zuschuss statt als Kreditlast wäre all denjenigen die Angst vor
finanziellen Problemen genommen, die ohne eigenes Vermögen neue
Bildungswege gehen wollen. Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Folgen
der Pandemie würde dies nicht nur Existenzängste abmildern, sondern neue
Chancen für die gesellschaftliche Entwicklung eröffnen.
Demokratie von klein an erleben! Demokratie zum Mitmachen darf es nicht
erst ab dem 16. oder 18. Geburtstag bei Parlamentswahlen geben. Kitas,
Schulen und Hochschulen sollten zu neuen Räumen des demokratischen
Miteinanders werden, in denen Kita-Kindern, Schüler*innen, Auszubildenden
und Studierenden mehr demokratische Instrumente zustehen. Das festigt
nicht nur die Demokratie an sich, sondern stärkt auch das Miteinander und
die Legitimierung von Entscheidungen.
Ein Investitionsprogramm für Bildungsorte! Um erfolgreich lernen, lehren
und arbeiten zu können, muss moderne Ausstattung – digital und analog –
vorhanden sein, also Leihgeräte, Bücher, flächendeckendes WLAN usw.
Sanierungsmaßnahmen und ansprechende Neubauten können Schulen und
Hochschulen ein neues Lernklima ermöglichen, sie zu Wohlfühl-, Kreativ-
und Erlebnisorten, zu Orten der Chancen machen.
Eine Personaloffensive für Kitas, Schulen und Hochschulen, um jedem
Menschen die nötige Aufmerksamkeit auf seinem Lernweg zu geben und die
Qualität in Forschung und Lehre hoch zu halten. Dieses Personal muss auch
durch gute Gehälter, faire und kontinuierliche Arbeitsbedingungen genau
die Wertschätzung erfahren, die diese anspruchsvollen Berufe längst
verdient haben. Dazu gehört auch, Ausbildungen weiter zu
professionalisieren und von Ausbildungsgebühren zu befreien.
Eine kritische Weiterentwicklung der Prüfungskultur an Schulen und
Hochschulen! Freiheiten zum Lernen sollen sein und nicht durch massenhafte
Prüfungen eingeschränkt werden. Prüfungen an Schulen und Hochschulen
müssen viel kritischer und nach ihrem Ziel der Kompetenzorientierung
hinterfragt sowie Prüfungsmodalitäten entbürokratisiert werden, damit
Leistungsdruck reduziert wird. Ziel sollte auch eine frühe Vermittlung
eines Grundverständnisses von Wissenschaftlichkeit sein. Frei denken,
Fehler machen dürfen und experimentieren, auch ohne unmittelbaren
Verwertungsdruck, ist eine Notwendigkeit um Kreativität und
gesellschaftliche Innovationen zu ermöglichen.
Begründung
„Alles wird gut“, „mach dir keine Sorgen“, Sätze wie diese sollen Zuversicht und Sicherheit geben. Zuversicht und Sicherheit für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, dass sich die Dinge zum Guten entwickeln werden, sie Hilfe und Unterstützung erhalten, dass ihre Zukunft voller Möglichkeiten und Freude sein wird. Viele Kinder und junge Menschen werden diese Sätze auch in der Zeit der Corona-Pandemie oft gehört haben – und viele werden sich darauf verlassen. Darauf verlassen, dass es schon irgendwie klappen wird, auch wenn sie im Chaos zwischen Notbetreuung ja oder nein, zwischen Präsenz-, Wechsel- und Kohortenunterricht und zwischen Videokonferenzen und Online-Lernmaterial versinken, vor allem aber dann, wenn sie unter dem immensen psychischen Druck der Ausnahmesituation einer Pandemie leiden. Kitas, Schulen, Hochschulen, Bibliotheken und damit alle Lernorte wurden früh geschlossen, der ohnehin immense Leistungsdruck hielt jedoch überall an.
Ein kleines Kind, das im Sommer 2020 den großen Schritt weg von den Eltern zu den Erzieher*innen und anderen Kindern in der Kita machen sollte, erlebt nur noch Vertröstungen und gestresste Eltern, die die Betreuung und Bildung irgendwie und ganz anders regeln müssen. Die Großeltern dürfen nicht kommen, die anderen Kinder vom Spielplatz bleiben weit weg und frühkindliche Musik- und Sportkurse fallen sowieso aus. Erfahrenen Kita-Kindern ging es kaum besser, denn sie vermissen den gerade erlernten neuen Alltag, die anregende Lernumgebung und die neuen Freund*innen. Dabei ist doch besonders die frühkindliche Bildung, auch die Sprachförderung der Kitas, so wichtig, um Kindern einen guten Start in die Schule zu ermöglichen.
Schüler*innen, für die Freund*innen und die Clique mit jedem Lebensjahr wichtiger wird, erleben soziale Isolation. Keine Online-Verbindung kann das ersetzen. Und selbst bei größtem Engagement der ebenfalls ins kalte Wasser geworfenen Lehrkräfte ist weder die Internetverbindung noch der eigene Schreibtisch in ruhiger Umgebung gesichert. Speziell für jüngere Schüler*innen war das eine befremdliche und belastende Situation, die sich auf ihre weitere Entwicklung auswirken wird. Für manche Schüler*innen waren es Wochen und Monate, in denen sie alleine vor Mathe und Englisch saßen. Die Aufgabe und ich. Mehr nicht.
Schaffe ich es jetzt noch in meine Wunschausbildung oder -studiengang? Die Pandemie hat geplante Bildungswege erschwert oder verbaut, und das oftmals aus finanziellen Gründen. 40% der Studierenden verloren durch die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie ihren Job, Auszubildende sahen die Berufsschule nur für kurze Zeit von innen und stehen nun verunsichert vor ihren Zwischenprüfungen und schwierigen beruflichen Perspektiven. Viele mussten Kredite aufnehmen, teils aus finanzieller Not zu ihren Eltern zurückziehen oder ihr Studium abbrechen. Die im Vergleich zu den Wirtschaftshilfen lächerlichen staatlichen Überbrückungshilfen für Menschen in Ausbildungsphasen linderten die Not kaum. Die Ungerechtigkeiten, die Auszubildende und Studierende während der Pandemie erfahren, sind sozial ungleich verteilt. Denn wer gerade seinen Studi-Job in der Gastronomie verliert und vom Elternhaus keine Unterstützung bekommt, bricht eher das Studium ab. Wer die finanziellen Mittel für ein eigenes Arbeitszimmer mit ergonomischem Schreibtisch und Bürostuhl zum Studieren hat, profitiert nicht nur körperlich, sondern vor allem mit einer höheren Leistungsfähigkeit gegenüber denjenigen, die zu dritt in der WG-Küche im wackeligen WLAN sitzen müssen. Hinein mischte sich bei vielen große Unsicherheit über ihre wirtschaftliche und persönliche Situation: Reichen meine Noten? Wie finanziere ich meinen Lebensunterhalt? Wie halte ich noch länger in meinem 12 m² Zimmer in der Übergangs-WG aus? Hält mein altes Laptop durch? Mit wem kann ich über meine Sorgen sprechen? Wo bekomme ich Hilfe? Wie geht es weiter?
War es bei den einen die Einsamkeit am Beginn einer Ausbildung oder eines Studiums in einer neuen Stadt, so machte anderen die Enge zuhause zu schaffen. Der fehlende soziale Kontakt zu alten Freund*innen und neuen Kommiliton*innen hinterlässt auch bei jungen Erwachsenen Spuren und Wunden, die geheilt werden müssen. Die fehlende Präsenz ließ einen alleine zurück im Dschungel von Aufgaben und neuen Strukturen, Versagensängste und Kontaktschwierigkeiten machten sich breit und besonders das Verstehen impliziter Regeln der Hochschule blieb denen vorbehalten, die es zuhause am elterlichen Frühstückstisch besprechen konnten.
Zu den direkten Belastungen durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie kamen schlimmstenfalls sogar Vernachlässigung und Gewalt hinzu. Diese so prägende Kindheits- und Jugendphase wurde unvermittelt gestört durch ein Jahr voller Entbehrung, und Einsamkeit und führten zu verschärfter sozialer Ungleichheit. Während die Maßnahmen tapfer akzeptiert wurden, aus Überzeugung und im festen Willen vom Virus besonders gefährdete Menschen zu schützen, schwand eine Zeit der Entdeckungen, der vielfältigen Möglichkeiten und unvergesslichen Begegnungen dahin. Die Ohnmacht, die viele Menschen gerade spüren, wird gesellschaftliche Langzeitfolgen haben.
Das macht was mit jedem und jeder Einzelnen! Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind eine der verletzlichsten Gruppen – und zugleich sind sie die Zukunft unserer Gesellschaft. Die Erfahrungen der Corona-Jahre sind der Rucksack, der allen aufgebürdet wird, der prägend und beeinflussend für eine ganze Generation sein wird. Dabei sind sie unsere Hoffnungsträger*innen, die change agents der Zukunft, die zudem noch mit den gewaltigen Belastungen der Klimakrise umgehen müssen. Wir alle sollten das sehen, anerkennen und Konsequenzen für unsere Politik daraus ziehen. Das Mindeste ist es doch jetzt, energisch für einen solidarischen Umbau unseres Bildungssystems zu streiten, der Sicherheit gibt und neue Chancen eröffnet.
Unterstützer*innen
- Carola Köster-Wiens (KV Lübeck)
- Jasper Balke (KV Lübeck)
- Björn Hennig (KV Ostholstein)
- Anke Johannsen (KV Ostholstein)
- Petra Kärgel (KV Pinneberg)
- Nadine Mai (KV Pinneberg)
- Leon Bossen (KV Flensburg)
- Lasse Bombien (KV Rendsburg-Eckernförde)
- Sven Gebhardt (KV Flensburg)
- Sina Clorius (KV Schleswig-Flensburg)
- Kim-Kathrin Lewe (KV Kiel)
- Uta Röpcke (KV Hzgt Lauenburg)
- Nicolaj Flemming (KV Kiel)
- Mathias Schmitz (KV Pinneberg)
- Jan Karthäuser (KV Ostholstein)
- Andrea Eva Dreffein-Hahn (KV Pinneberg)
Kommentare
Lasse Bombien: