Veranstaltung: | Landesparteitag |
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Tagesordnungspunkt: | 1. Anträge |
Antragsteller*in: | Joschka Knuth (KV Rendsburg-Eckernförde), Anna Tranziska (KV Pinneberg), Jan-Philipp Albrecht (KV Kiel) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 01.04.2021, 12:57 |
P 1: Planungsverfahren verantwortungsvoll, rechtsstaatlich und wirksam beschleunigen
Antragstext
Die Klimakrise stellt Deutschland auch beim Ausbau der Infrastruktur vor extreme
Herausforderungen. Ohne den schnellen Ausbau von Leitungs-, Schienen- und
Transportinfrastrukturen wird Deutschland die dringend notwendige Verkehrswende
und die sektorenübergreifende Energiewende nicht erfolgreich gestalten können.
Voraussetzung für einen erfolgreichen Ausbau dieser Infrastrukturen sind auch
beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren. Anders als unsere politischen
Mitbewerber*innen setzen wir nicht auf die Beschneidung von Beteiligungsrechten
und rechtlichen Überprüfungsmöglichkeiten, sondern auf die Hebung der Effizienz
im gesamten Planungsprozess, auf Professionalisierung und Digitalisierung. Wir
sind uns sicher, dass populistische Forderungen den Herausforderungen dieser
Zeit weder angemessen sind, noch zu ihrer Lösung beitragen.
Wir Grüne sagen auch klar, dass die konsequente Berücksichtigung und Umsetzung
der völkerrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben – beispielsweise im Bereich
des Umwelt- und Naturschutzes – Voraussetzung ist für eine erfolgreiche Planung.
Sie gewährleistet die Einhaltung von Mindeststandards und sichert das Vertrauen
der Bevölkerung in Planungsverfahren. Wir sehen die Berücksichtigung der Belange
des Umwelt- und Naturschutzes sowie der betroffenen Bürger*innen nicht als
Hindernis für eine erfolgreiche Planung, sondern als Voraussetzung.
Wir setzen uns deshalb für eine verantwortungsvolle, rechtsstaatliche und
wirksame Beschleunigung von Planungsverfahren ein. Mit den folgenden Maßnahmen
wollen wir Grüne eine substanzielle und tatsächliche Beschleunigung von
Planungsverfahren erreichen:
1. Beteiligung als Faktor für das Gelingen von Planungsvorhaben verstehen und
gestalten:
Schleswig-Holstein hat unter anderem beim Bau der Westküstenleitung vorgemacht,
wie ein vorgezogenes Bürgerbeteiligungsverfahren dazu beitragen kann, offene
Fragen im Voraus zu klären, zusätzliche Aspekte und Informationen in das
Verfahren einfließen zu lassen und damit sowohl die Akzeptanz für ein Vorhaben
zu steigern, die Qualität der Planung zu verbessern, als auch beispielsweise
innovative kleinräumige Alternativen zu erarbeiten. Dies hat unmittelbar zu
einer Beschleunigung des Gesamtvorhabens beigetragen.
Wir schlagen bundesweit einheitliche Leitlinien für eine frühzeitige
Bürgerbeteiligung bei Planungsverfahren vor. Die Leitlinien sollten auch
konkrete Vorschläge zur Organisation von Planungsverfahren beinhalten.
Die Beteiligung von Verbänden, Institutionen sowie Bürger*innen stellt auch nach
frühzeitigen Beteiligungsverfahren noch einen zentralen Bestandteil des
Gesamtverfahrens dar. Wir fordern, dass sie nicht zum Selbstzweck erklärt wird,
sondern als immanenter Bestandteil von Planungsverfahren mit dem Ziel der
Verbesserung des Planungsbeschlusses erkannt und gelebt wird.
2. Behörden bestmöglich für erfolgreiche Planungsverfahren ausstatten
Voraussetzung für eine gute behördliche Begleitung von
Planfeststellungsverfahren ist eine ausreichende Personalausstattung der
zuständigen Behörden. Immer wieder führt ein Mangel an Personal zu längeren
Planungszeiten. Wir fordern deshalb, dass die Besoldungsstrukturen und
Personalkapazitäten dahingehend angepasst und erweitert werden. Es ist richtig,
dass das Land mit dem dualen Studium für Bauingenieur*innen auch das
Ausbildungsangebot verbessert hat.
Darüber hinaus sind für den Austausch zwischen den Behörden und den einzelnen
Abteilungen neue Konzepte notwendig, um die Zusammenarbeit und den
Informationsaustausch zwischen verschiedenen Fachbereichen der Planungsbehörde
zu verbessern. Damit soll dazu beigetragen werden, die Planungen auch von
behördlicher Seite frühzeitig gesicherter zu gestalten.
Ein weiterer Baustein ist die Beteiligung bzw. die Zusammenarbeit mit der
öffentlichen Anlaufstelle des Bundes, der BIM Deutschland – Zentrum für die
Digitalisierung des Bauwesens. Ziel ist es, dass das Land Schleswig-Holstein
eine Vorreiterrolle im neuen Standard Building Information Modeling (BIM)
einnimmt und sich für ein Pilotprojekt im Bereich erneuerbare Energien einsetzt.
Für eine Beschleunigung der Planungsverfahren muss zudem die
Finanzmittelausstattung der Planungsverfahren dahingehend verbessert werden,
dass bereits im Rahmen der vorgezogenen Bürgerbeteiligung zu ausgewählten
Fragestellungen auch unabhängige Gutachten in Auftrag gegeben werden können.
Dadurch erhöht sich die Akzeptanz der externen Expertise gegenüber einer
Situation, in der die Beauftragung durch den Vorhabenträger erfolgt und
kritische Fragen können im Voraus des Planungsprozesses transparent geklärt
werden.
Geprüft werden sollte ferner, wie Gutachten generell über die Planungsbehörde /
die öffentliche Hand vergeben werden können.
3. Synergien heben durch die Zusammenlegung von Raumordnungsverfahren und
frühzeitiger Öffentlichkeitsbeteiligung
Wir fordern zudem, dass künftig eine frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung bei
Planungs- und Genehmigungsvorhaben im Infrastrukturbereich zeitgleich mit einem
Raumordnungsverfahren durch die gleiche Behörde durchgeführt werden sowie das
Raumordnungsverfahren mit dem Planungsverfahren zusammengelegt werden kann.
Durch die zeitgleiche und durch eine Behörde koordinierte Durchführung der
beiden Verfahren können Synergieeffekte geschaffen und Doppelprüfungen (z. B. im
UVP-Bereich) vermieden werden.
4. Stichtagsregelungen anwenden und damit Rechtssicherheit für die
Planungsbehörden schaffen:
Es ist richtig und begründet, dass für bestimmte Bereiche Stichtagsregelungen
hinsichtlich der anzuwendenden Rechtsgrundlage gelten. Dies kann jedoch nicht
für alle Bereiche und unbegrenzte Zeiträume gelten.
Wir fordern, bei Planungsverfahren, die sich über mehrere Jahre ziehen, die
Stichtage einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen und ggf. zu aktualisieren.
Immer wieder ändern sich rechtliche Rahmenbedingungen, der Stand der
Wissenschaft und Technik oder der ökologische Zustand der betroffenen Gebiete.
Da als maßgeblicher Zeitpunkt für die Rechtmäßigkeit der Planung der Zeitpunkt
gilt, zu dem der Planfeststellungsbeschluss gilt, kann die Anpassung der Planung
an aktualisierte Vorschriften dazu führen, dass teilweise jahrelange Vorarbeiten
wertlos sind und angepasst werden müssen. Wir fordern, dass die Bundesregierung
eine Liste der Fachgesetze vorlegt, bei denen durch eine Überarbeitung der
Stichtagsregeln eine Beschleunigung verantwortbar erreicht werden kann. Die für
die einzelnen Planungsvorhaben zuständige Behörde muss künftig in eigener
Zuständigkeit über die konkrete Anwendung von Stichtagesregelungen final
entscheiden.
5. Digitalisierung der Planungsunterlagen und -verfahren für Transparenz,
Bürgerfreundlichkeit und Effizienz:
In der Digitalisierung von Planungsunterlagen und Elementen des
Planungsverfahrens sehen wir eine große Chance zur Beschleunigung der gesamten
Planungsverfahren. Beispielsweise die Auslegung der Planunterlagen kann dadurch
erleichtert und bürgerfreundlicher gestaltet werden.
Wir fordern, dass perspektivisch alle Unterlagen zum Planungsvorhaben in einem
einheitlichen, standardisierten digitalen Format vorliegen bzw. eingereicht
werden können. Vorzugsweise sollten die Systeme kompatibel und verzahnt sein mit
dem UVP-Portal des Landes. Damit soll beteiligten Verbänden, Institutionen und
Bürger*innen das Einsehen der Unterlagen erleichtert und den Planungsbehörden
das Bearbeiten erleichtert werden.
Wir begrüßen, dass das Land bereits an der Digitalisierung von Planungsverfahren
arbeitet und damit die Grundlage für die digitale Bereitstellung und Einreichung
von Unterlagen sowie Beteiligung am Verfahren legt.
Wir fordern, dass auch bei der Digitalisierung von einzelnen Verfahrensschritten
– wie beispielsweise während der Corona-Pandemie mit der digitalen Durchführung
von Erörterungsterminen erfolgt – weiterhin sichergestellt wird, dass diese
diskriminierungsfrei durchgeführt werden können und alle Bürger*innen Zugang
erhalten.
6. Artenschutz und Individuenschutz gewährleisten:
Eine Abschwächung der Belange des Arten- und Naturschutzes lehnen wir ab. Sie
ist für schnellere Planungsverfahren nicht notwendig. Die Entwicklung neuer
Schutzkonzepte, beispielsweise großräumiger Artenhilfsprogramme, die sowohl
zukunftsfähige Infrastruktur erlauben als auch den Artenschutz dauerhaft
sicherstellen, können zu einer Stärkung der Belange des Arten- und Naturschutzes
beitragen. Zudem ist der Beschluss der Umweltministerkonferenz zu begrüßen, der
fordert, dass Leitfäden zur rechtssicheren Anwendung der Ausnahmegenehmigung
nach § 45 Abs. 7 BNatSchG für den Bau von Erneuerbare-Energien-Projekte erstellt
werden sollen.
7. Klageverfahren beschleunigen und Kompetenzen bei Gerichten nutzen:
Es hat sich gezeigt, dass es durch eine Verkürzung der Klageinstanzen gelungen
ist, für besonders relevante Planungsvorhaben der Bundesrepublik Deutschland
eine relevante Verkürzung der Realisierungszeiten zu erreichen. Begründet ist
dies in der Verkürzung des Instanzenzugs im Gesamten. Gleichzeitig zeigt sich,
dass einzelne Gerichte im Laufe der Zeit besondere Expertisen in der Behandlung
spezifischer Fachplanungsvorhaben erworben haben. Diese Expertise sollte genutzt
werden, um damit insgesamt auch das Vertrauen in die Gerichtsentscheidungen zu
erhöhen.
Wir sind überzeugt, dass für besonders relevante Planungsvorhaben eine
Verkürzung der Klageinstanzen eine sinnvolle Maßnahme ist. Über eine besondere
Relevanz der Planungsvorhaben sollte der künftige Bundesnetzplan entscheiden.
Dadurch erhoffen wir uns eine relevante Verkürzung der Realisierungszeiten
wichtiger Infrastrukturvorhaben.
Eine Verkürzung der Klageinstanzen hat in der Vergangenheit und darf in der
Zukunft keine materielle Einschränkung der Klagemöglichkeiten bedeuten.
8. Mitwirkungspflichten wirkungsvoll definieren und ermöglichen –
Beteiligungsrechte und rechtliche Überprüfungsmöglichkeiten gewährleisten:
Immer wieder wird in der politischen Debatte über die Beschleunigung von
Planungsverfahren gefordert, dass das Vorbringen einer Partei, dass nicht
innerhalb bestimmter Fristen erfolgt, von den Behörden oder Gerichten nicht mehr
beachtet werden muss. Wir lehnen es ab, dass Beteiligte ohne
Mitwirkungspflichten von Vornherein vom Verwaltungs- sowie vom gerichtlichen
Verfahren ausgeschlossen werden können. Der Europäische Gerichtshof hat bereits
ein Urteil zur Zulässigkeit von materiellen Präklusionsregelungen gefällt, ein
weiteres Urteil wird für 2021 erwartet.
Wir fordern für das Verwaltungsverfahren klar definierte Kriterien und Fristen
für das Einreichen neuer Erkenntnisse. Wir fordern zudem die Prüfung einer
gesetzlichen Mitwirkungspflicht bestimmter Beteiligter am Verfahren, da dies ein
sinnvoller Beitrag zu einer Beschleunigung von Planfeststellungsverfahren sein
kann. Ein Nichteinhalten dieser Mitwirkungspflichten sollte zum Ausschluss des
Beteiligten vom Verwaltungsverfahren führen können. Klar ist jedoch für uns
Grüne auch, dass insbesondere Verbände, denen Mitwirkungspflichten auferlegt
werden auch personell und materiell hinreichend ausgestattet sein müssen, um
ihren Verpflichtungen nachkommen zu können.
9. Der Bundesverkehrswegeplan wird zum Bundesnetzplan:
Die bisherige Bundesverkehrswegeplanung ist nicht zukunftsfähig. Wir fordern
darum einen Bundesnetzplan, der eine ökologisch und ökonomisch nachhaltige
Mobilität priorisiert. Dieser Bundesnetzplan soll künftig alle
Verkehrswegeinfrastrukturen zusammenführen. Prüfungen und Projektbewertungen
müssen verkehrsträgerübergreifend durchgeführt werden. Projekte im
Bundesnetzplan müssen hinsichtlich ihrer großräumigen und systemischen
Klimawirksamkeit überprüft und bewertet werden und dürfen nicht ausschließlich
aufgrund lokaler Relevanz ausgewählt werden.
Wir fordern, dass das Land darauf hinwirkt, Projekte im Bundesnetzplan künftig
regelmäßig einer Prüfung hinsichtlich ihrer Realisierungsnotwendigkeit zu
unterziehen.
Begründung
mündlich
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